Mehrkörperproblem

Mehrkörperproblem
Mehrkörperproblem,
 
Vielkörperproblem, n-Körperproblem, Physik und Astrophysik: das Problem der Beschreibung von Systemen, die aus mehr als zwei, als Massepunkte idealisierten Körpern oder Teilchen bestehen, einschließlich der Möglichkeit von Voraussagen über deren künftiges Verhalten. Die konkrete Behandlung solcher Systeme hängt von der Art und der Stärke der Wechselwirkung ihrer Konstituenten und von deren Anzahl ab. Gegenstand der klassischen Mechanik (und in entsprechender Form auch der Quantenmechanik) ist die Beschreibung eines Teilchens, das sich unter dem Einfluss einer Kraft oder eines Potenzials bewegt; die Beschreibung der Bewegung zweier Teilchen kann bei Einführung einer reduzierten Masse formal auf die Bewegung eines Teilchens zurückgeführt werden. Beim so genannten Kepler-Problem (Zweikörperproblem), bei dem die Kraft zwischen den beiden Teilchen proportional zum Kehrwert des Quadrats ihres Abstands ist - wie bei der Gravitation (z. B. Sonne-Planet) und der Coulomb-Kraft (z. B. Wasserstoffatom) -, können geschlossene, d. h. als Funktionen darstellbare Lösungen angegeben werden. Schon bei drei Körpern ist das im Allgemeinen nicht mehr möglich, und man muss bei der Beschreibung ihrer Bewegung auf Näherungsverfahren zurückgreifen (z. B. Störungstheorie, Iterationsverfahren wie die Hartree-Fock-Methode oder numerische Integration).
 
Das am längsten bekannte Mehrkörperproblem ist das Dreikörperproblem der Himmelsmechanik, von dem J. L. de Lagrange 1772 zeigen konnte, dass es dann exakt lösbar ist, wenn ein sehr leichter Körper bezüglich zweier schwerer Körper sich in einem von fünf ausgezeichneten Punkten, den Librations- oder Lagrange-Punkten, befindet. Ist einer der beiden schweren Körper die Sonne, der andere ein massereicher Planet, dann liegen die Librationspunkte L1, L2 und L3 auf der Verbindungsgeraden Sonne-Planet, und zwar L1 zwischen beiden, L2 jenseits des Planeten und L3 jenseits der Sonne; die Librationspunkte L4 und L5 bilden mit Sonne und Planet je ein gleichseitiges Dreieck. Realisiert ist dies u. a. im System Sonne-Jupiter, in dem sich eine Gruppe von Planetoiden, die Trojaner, in den Librationspunkten L4 und L5, jeweils 60º vor und hinter Jupiter, in dessen Bahn befinden.
 
Die Frage der allgemeinen Stabilität des Sonnensystems wurde erstmals 1892 von H. Poincaré untersucht. Es hat sich herausgestellt, dass die Planetenbewegungen so komplex sind, dass längerfristige Vorhersagen nur eingeschränkt möglich sind. Komplexe Systeme wie das Sonnensystem, bei denen eine Vorhersage der Stabilität ihres Verhaltens prinzipiell nicht möglich ist, obwohl dieses von deterministischen Gleichungen bestimmt wird, sind Untersuchungsgegenstand der Chaostheorie. Numerische Berechnungen lassen vermuten, dass das Sonnensystem für weitere etwa 100 Mio. Jahre stabil sein wird, was allerdings nur rd. ein Fünfzigstel seines bisherigen Alters ist.
 
Im weiteren Sinn spricht man auch bei Problemen, auf die statistischen Methoden angewendet werden, von Mehrkörperproblemen (Vielteilchensysteme). Solche Methoden spielen v. a. in der Atom- und Festkörperphysik, aber auch in der Astrophysik eine wichtige Rolle.

Universal-Lexikon. 2012.

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